Medizinierte Ayurvedische Öle
Ein Artikel über die Bedeutung, Herstellung und Anwendung von medizinierten Ölen im Ayurveda.
Freitag, 18. März 2011 um 13:53 Uhr veröffentlicht in www.ayurveda-portal.de
Die Bedeutung der Öle im Ayurveda
Medizinierte Öle umfassen einen wichtigen Bereich innerhalb der ayurvedischen Pharmakologie. In meinem indischen Heimatstaat, Kerala, findet man in jeder Stadt, selbst in den kleinsten, zumindest einige ayurvedische Apotheken, wobei jede von ihnen im Durchschnitt etwa 50 verschiedene medizinierte Öle in ihrem Sortiment führt. Wenn man sich die Produktlisten der führenden Hersteller ansieht, so lassen sich darin bis zu 250 und mehr verschiedene Öle ausfindig machen. Insgesamt sind über 300 Öle, die nach klassischen Rezepturen hergestellt werden, auf dem Markt verfügbar, wobei neue patentierte Öle noch nicht mitgezählt sind. In den klassischen Büchern werden noch hunderte von weiteren Rezepturen beschrieben, die auf dem Markt nicht geführt werden, die aber von ayurvedischen Ärzten nach Bedarf selbst hergestellt werden.
Das wirksamste Mittel zum Ausgleich von Kapha ist Honig, dasjenige für Pitha, Ghee und dasjenige für Vatha ist Öl, insbesondere Sesamöl. Daher stellt Öl eine ideale Grundlage für medizinische Zubereitungen dar, die dem Ausgleich von Vatha dienen. Die Vielfalt beschränkt sich im Ayurveda aber nicht nur auf die Öle, sondern ist auch auf dem Gebiet der Anwendungen zu finden, die sich nach den verschiedenen Körperbereichen und Krankheiten richten. Auf dem Kopf wird Öl beispielsweise in Form von Pichu angewendet, einer Behandlung, bei der ein gefaltetes Baumwolltuch, das in mediziniertem Öl getränkt wurde, auf die Mitte des Scheitels gelegt wird. Eine weitere Behandlungsform im Kopfbereich ist Thalam, bei der das Öl mit einer Kräuterpulvermischung zu einer Paste verrührt und auf der Mitte des Scheitels aufgetragen wird.
Die bekannteste Behandlung ist sicherlich Shirodhaara, der Stirnguss. Bei Shirovasthi, wird warmes Öl in einer Art Trichter, unmittelbar auf dem Kopf behalten. Weitere Behandlungen sind Urovasthi, bei dem Öl wiederholt erwärmt und auf dem Brustkorb bewahrt wird; Kateevasthi stellt die gleiche Behandlung auf dem Rücken dar; Thailavasthi ist ein Einlauf aus mediziniertem Öl; bei Dhaara wird warmes Öl wiederholt auf bestimmte Körperstellen oder über den ganzen Körper gegossen; unter Abhyangam versteht man eine allgemeine Ölmassage; Kabalam ist eine Anwendung, bei der Öl eine Zeit lang im Mund behalten wird; Snehapanam ist die innere Einnahme von Ghee oder Öl; bei Karnapooranam wird lauwarmes Öl in das Ohr gegossen; und bei Utharavasthi wird das Öl in die Genitalien eingeführt.
Allgemein gilt im Ayurveda das Auftragen von Öl auf den Kopf, in die Ohren und auf die Füße als höchst wichtig und wird als tägliche Anwendung empfohlen. Aus ayurvedischer Sicht macht die tägliche Ölmassage die Haut spannkräftig, beugt der Faltenbildung vor und verbessert das Sehvermögen. Die Massage begünstigt weiterhin eine gute körperliche Entwicklung, wirkt förderlich auf einen gesunden Schlaf und trägt zu einem langen Leben bei.
Philosophischer Hintergrund
Snigdham gilt als die bedeutendste Eigenschaft von Öl, welche ursprünglich dem Element Jalam oder Wasser zugeschrieben wird. Snigdham ist eine Eigenschaft, welche trockene und spröde Erde in weichen, geschmeidigen Schlamm verwandelt. Gemäß dem modernen Verständnis ist es die Schwerkraft, welche die Formen schafft, indem sie die Teilchen aneinander bindet. Dies steht in Übereinstimmung mit der Auffassung der indischen Lehren über das Element Bhoomi oder Erde.
Der Unterschied zwischen der Bedeutung von snighdam und dem modernen Verständnis der Schwerkraft liegt darin, dass Schwerkraft eine Verbindung und Ganzheit schafft, die zur Statik führt, während die von snigdham mit einem gewissen Grad der Mobilität, wie auch der Flexibilität einhergeht.
Durch die Umwandlung, die durch snigdham bewirkt wird, kehrt sich die Tendenz zur Auflösung und zum Zerfall in eine Integrität um; der degenerative Zustand wird damit in einen aufbauenden verwandelt und die Desintegrität wieder zu einer Einheit oder Ganzheit gesammelt. Diese beiden gegensätzlichen Kräftewirkungen stehen repräsentativ für das Dualistische in allen Erscheinungen in der Natur. Die Kraft zur Einheit und Verbindung ist die grundlegendste Ursache für Leben und Wachstum, während die Kraft der Trennung und Desintegrität zu Konflikten, Einsamkeit, sowie zu Krankheit, Alterung, Tod und Zerfall führt. Lipide werden im Ayurveda generell auch als sneham bezeichnet, was andeutungsweise auf die Eigenschaft von snigdham hinweist. Sneham bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch, Liebe, und Liebe wird ebenfalls mit Zusammenführung und Verbindung asoziiert.
Alles was existiert, hat seinen Ursprung in der Vergangenheit und sieht unweigerlich seinem Ende in der Zukunft entgegen. Die dualen Kräfte sind letztendlich die Ursache für die Erschaffung und Zerstörung. Sie sind während des ganzen Lebens wirksam, wobei in der ersten Lebenshälfte die konstruktive, aufbauende Kraft dominiert und in der zweiten Lebenshälfte die degenerative, abbauende Kraft. Dieses allgemeine Prinzip lässt keine Ausnahmen zu.
Alle Vorgänge laufen in Rhythmen und Zyklen ab und jeder vollständige Zyklus beinhaltet diese zwei Phasen oder Kräfte. Das gleiche trifft auch im Hinblick auf kleinere Zeitspannen zu. Beispielsweise führt uns die Tages- und Wachzeit zu einer Öffnung und Weitung und lässt uns Energie verbrauchen, wodurch wir die kühlenden snigdha-Qualitäten verlieren. Die Nacht und der Schlaf bewirken das Gegenteil hiervon, indem sie die verausgabten Kräfte wieder zurücksammeln. In ähnlicher Weise führt die wärmere Jahreshälfte, die im Sommer ihren Höhepunkt findet, zu einer Auszehrung der Kräfte der Lebewesen auf der Erde. Mit dem Beginn der darauf folgenden Jahreszeit dagegen, werden diese Kräfte wieder zurückgeführt.
In Indien ist diese Zeit ganz klar gekennzeichnet durch die Ankunft des Monsoons am Ende des heißen und auszehrenden Sommers. Der Beginn der Regenzeit geht mit weitreichenden landwirtschaftlichen Aktivitäten in Form von Anpflanzungen und dem Säen von Samen einher.
Diese grundlegenden dualen Kräfte in der Natur und im Kosmos herrschen in unterschiedlichen Formen und Graden in allen dualen Eigenschaftspaaren vor, wie z. B. als kalt und warm, leicht und schwer, rauh und glatt, feucht und trocken, usw. Dabei wird jeweils eine dieser Eigenschaften von der einen Kraft beherrscht und deren Gegenspieler von der anderen Kraft. Auch Pflanzen und Tiere lassen sich nach diesem Prinzip charakterisieren und einordnen. So herrschen in Pflanzen mehr die Qualitäten snigdha und seetham (kühlend) vor, während in Tieren die heißen und trockenen Qualiäten dominieren. Daher stellen Pflanzen im Hinblick auf den Stoffwechsel die aufbauende und Tiere die abbauende Seite der Dualität dar.
Snigdham ist, wie schon erwähnt, eine Eigenschaft, die dem Element Wasser zugeordnet wird und somit mehr oder weniger allen flüssigen Substanzen. Öle gelten als Flüssigkeiten, welche diese Eigenschaft in einer idealen Weise beinhalten, die das menschliche Leben aufrechterhält und verjüngt. Zeichen, wie Trockenheit, Leichtigkeit, Rauhheit u. s. w. deuten auf ein Vorherrschen von Vatha hin und lassen auf Degeneration, Mangelernährung und den Verlust der Vitalität schließen, was zu degenerativen Erkrankungen, wie Arthritis führen kann. Etwa ab der Lebensmitte gewinnt Vatha natürlicherweise die Vorherrschaft, was allgemein zu einem Nachlassen der Kräfte, zur Faltenbildung der Haut u. s. w. führt. Alle diese Erscheinungen zeigen deutlich die Notwendigkeit der inneren oder äußeren Aufnahme von Öl an. In der zweiten Lebenshälfte werden die aufbauenden Kräfte des physischen Körpers im Verhältnis zu den abbauenden Kräften schwächer. Aus diesem Grunde kommt dem Öl mit zunehmendem Alter eine immer wichtigere Rolle zu.
Auf der körperlichen Ebene können wir ohne weiteres die festen, flüssigen und gasförmigen Bestandteile, welche stellvertretend für die Elemente stehen, voneinander unterscheiden. Auf der feinstofflichen Ebene ist dies jedoch nicht möglich. Gemäß dem Konzept des Ayurveda sind die Bestandteile des Körpers in ihrer feinstofflichen Form nicht voneinander trennbar. Auf einer feinstofflichen Ebene stellt jedes Element ein Gemisch dar, in dem auch Anteile der anderen Elementen enthalten sind. Der menschliche Körper ist weder ausschließlich feinstofflich, noch ausschließlich grobstofflich. Aber selbst dann wären die festen, flüssigen und gasförmigen Bestandteile untrennbar voneinander. Praktisch gesehen, existieren sie alle mehr oder weniger überall im Körper. So sind auch Sauerstoff und Kohlendioxid, Wasser Lymphe, Plasma, Proteine, Fette, Glukose u.s.w. überall und in jeder Zelle enthalten. Es ist die Dynamik, die alles überall existieren lässt. Von Seiten der Statik kann ein Objekt nicht an einem Ort sein, der von einem anderen Objekt eingenommen wird. Durch die Dynamik aber wird es möglich, dass der gleiche Platz mit einem oder mehreren anderen Objekten geteilt werden kann. Ebenso ist es möglich, dass ein einzelnes Objekt den Platz von vielen ausfüllt. Die festen Bestandteile des Körpers sind verhältnismäßig statisch und die flüssigen, gasförmigen und energetischen Bestandteile sind dagegen dynamisch. Aus einer anderen Perspektive heraus gesehen, ist der Teil des Körpers, welcher die Anatomie umfasst, relativ statisch und der Teil, welcher die Physiologie umfasst, dynamisch. Ebenso ist Materie relativ statisch und Energie relativ dynamisch.
Leben ist ein Phänomen, welches beide Bereiche, den der Statik und den der Dynamik, in sich selbst ausgleicht. Kapha ist für den mehr statischen Bereich des Körpers zuständig und Vatha für den mehr dynamischen Bereich. Pitha befindet sich in der Mitte von beiden und trägt die Qualität, snigdha in sich, während es die Form von dravam einnimmt, welche als flüssige Eigenschaft verstanden werden kann. Die Fähigkeit des Fließens, die den flüssigen Substanzen eigen ist, stellt einen Kompromiss oder Ausgleich zwischen Statik und Dynamik dar. Diese Fließbewegung ist vergleichbar mit der Bewegung, eines Steines, der am Ende einer Schnur angebunden ist und im Kreis herumgewirbelt wird. Dieser Stein wird einerseits ständig nach außen geschleudert und verlässt aber dennoch nicht seine Kreisbahn, deren Abstand zum Mittelpunkt unverändert bleibt. Der Stein wird einerseits in Bewegung gesetzt und kommt gleichzeitig auch wieder zum Stillstand! Fließende Flüssigkeiten sind durch die Schwerkraft gebunden, so wie der Stein an der Schnur festgebunden ist.
Im Gegensatz zu dem Stein, bewegen sich die fließenden Substanzen, bedingt durch die leichte Schräge, aus dem Gleichgewicht heraus und zwar immer in Richtung des Zentrums der Schwerkraft. Theoretisch könnte ihr Fluss nur dort, im Zentrum der Schwerkraft, zu einem Stilllstand kommen, sofern sie nicht zuvor durch Hindernisse blockiert werden. Andererseits sind flüssige Substanzen, anders als die festen, nicht vollständig an die Schwerkraft gebunden. Flüssigkeiten besitzten einen bestimmten Grad der Bewegungsfreiheit. Diese Freiheit wird dadurch eingeschränkt, dass sie nicht nach oben fließen und nicht ohne Unterstützung frei stehen können. Dies wird durch saram, die Eigenschaft des sich Ausbreitens von Pitha, ausgedrückt. Flüssigkeiten gehen daher einen Kompromiss zwischen Statik und Dynamik ein, neigen sich aber bis zu einem gewissen Grad in Richtung Statik.
Wasser bildet die Grundlage für das Leben und das Medium, welches alles miteinander verbindet. Leben ist wie ein dynamisches Bild und Wasser stellt den Untergrund oder die „Leinwand“, für dieses Bild dar. Andererseits verknüpft es die stabilen und die dynamischen Prinzipien des Lebens miteinander. Das Überwiegen der konvergierenden Kraft im Element Wasser, durch die es dazu befähigt wird, kugelförmige Tropfen zu bilden und die es dazu zwingt, immer abwärts zu fließen, wird durch die Eigenschaft, snigdham, zum Ausdruck gebracht, welche die Teilchen zusammenführt und anneinander bindet. Die Neigung zur Konvergenz kann als ein Streben in Richtung Stabilität und Statik im Zentrum der Schwerkraft verstanden werden. Durch diese Tendenz wird die feste Materie erschaffen und erhält ihre Stabilität. Somit gilt diese Neigung zur Konvergenz als Kapha-anregend, da sthiram (stabil), guru (schwer), snigdham (ölig), seetham (kalt), mandam (träge) u.s.w. alles Eigenschaften sind, welche auf Kapha hindeuten.
Auf der Ebene des Kosmos führt die Dominanz der konvergenten über die divergente Kraft zur Materialisation oder zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Materie. Divergenz detmaterialisiert alles und führt es in dynamische Energieformen über. Das Element Vaayu oder Luft, stellt das entsprechende Gegenstück zum Wasser dar. Vaayu beinhaltet die Eigenschaft der Levitation, ist jedoch nicht völlig frei von der Wirkung der Schwerkraft. So wie das Element Wasser einen Ausgleich zwischen Stabilität und Mobilibät schafft mit einer Neigung zur Stabilität, so besitzt Vaayu eine Neigung zur Mobilität, was ihm die Qualitäten, der Trockenheit, Leichtigkeit, Dynamik, Porösität u.s.w., verleiht und Vaatha anregt. Für die Aufrechterhaltung des Lebens und des Wachstums sollte die konvergierende, materialisierende Kraft überwiegen, wodurch die wichtige Bedeutung von snigdham und der Lipide, die für das Wachstum, den Erhalt und die Verjüngung des Lebens, sowie für die Heilung degenerativer Erkrankungen eine wichtige Rolle einnehmen, verständlich wird.
Im Ashtaanga Hrudaya wird erläutert, dass Abhyanga die Faltenbildung und das Altern hemmt, dem Körper zum Wiederaufbau nach physischer Anstrengung und Auszehrung verhilft und dass sie Vaatha ausgleicht. Das regelmäßige Auftragen von einfachem Sesam- oder Kokosnussöl oder von mediziniertem Öl ist in Kerala eine Tradition. Das Einölen des Körpers verhindert die Trockenheit der Haut, Brüchigkeit und Spaltung der Haare und Nägel und fördert allgemein das physische Wachstum und die Vitalität. Je nach Bedarf oder Krankheit, steht eine große Auswahl an verschiedenen Haarölen und Ölen für den Kopfbereich zur Verfügung.
Die Berücksichtigung von agni bei der Herstellung
Ein ayurvedisches Öl ist nicht etwa nur ein Gemisch aus verschiedenen Kräutern und anderen Zutaten, vielmehr erfordert jedes Öl auch eine ganz bestimmte Form der Zubereitung, die in ihrem Ablauf einzigartig ist. Hierfür wird das Öl mit den anderen Zutaten erhitzt und zum Kochen gebracht. Der Grad des Kochens variiert je nach Bereich und Art der Anwendung des Öls. Im allgemeinen gehören zu den Zutaten eines medizinierten Öls neben dem Basisöl, auch ein Teil Flüssigkeit, ein Teil Paste und ein Teil Pulver. Der flüssige Teil setzt sich aus frischen Kräutersäften, Kräuteraufgüssen (1 Teil getrocknete Droge mit 16 Teilen Wasser gekocht und bis auf 1/8 der Menge reduziert), aus Milch, Joghurt, Wasser oder anderen Zutaten zusammen. Die Paste wird aus frischen zermahlenen Kräutern oder aus getrockneten Kräutern, die mit Wasser vermischt werden, hergestellt. Der Pulver-Anteil besteht normalerweise aus aromatischen Substanzen und Harzen, welche ätherische Öle beinhalten und dem Öl zum Ende des Garungsprozesses zugegeben werden. Das Sammeln der frischen Kräuter und Zutaten und deren Verarbeitung, das Zerkleinern und Zermahlen, das Pressen des Saftes und die Zubereitung des Dekoktes, welche einen stundenlangen Kochprozess erfordert, bis die Wassermenge sich auf 1/8 reduziert hat, sowie das anschließende Kochen des Öls bis der gesamte wässrige Anteil darin verdampft ist, macht die Zubereitung eines ayurvedischen Öls zu einem äußerst zeit- und arbeitsaufwendigen Verfahren.
Wenn sich der Wasseranteil in dem Gemisch nahezu vollständig verflüchtigt hat, so dicken die festen Bestandteile mehr und mehr zu einer Paste an. Ab dieser Stufe bedarf es der regen Aufmerksamkeit, damit der Vorgang im richtigen Moment gestoppt werden kann, denn entscheidend ist, je nach Art und Bereich der Anwendung, ein bestimmtes Stadium, bis zu welchem der Garungsprozess fortgesetzt wird. Wenn die festen Bestandteile, die sich am Boden absetzen, eine wachsige Beschaffenheit erlangen, ist das Öl in einem Stadium, welches für die innere Einnahme, wie z. B. Snehapaanam, Nasyam, Vasthy u.s.w., geeignet ist. Die hartzige Konsistenz, für die ein längeres Kochen erforderlich ist, entspricht dem Stadium, welches für äußere Anwendungen auf der Haut geeignet ist. Für die Anwendung als Haaröl ist ein noch längeres Kochen notwendig, bis der Bodensatz eine trockene und bröselige Eigenschaft erlangt hat. Diese Stufe wird als die „Sand-Stufe“ bezeichnet. Ein anderes Zeichen, welches anzeigt, dass diese Stufe erreicht ist, äußert sich in dem intensiven Duft, der durch die nun frei werdenden Aromen entfacht wird und sich im Raum verströmt. Die Logik, die sich hinter diesen verschiedenen Stufen der Garung verbirgt, steht in Verbindung mit dem Agni oder Element Feuer, welches alles „verdaut“.
Agni ist der Vermittler innerhalb aller Verbindungen und auch Trennungen, es ist Zeuge in allen Vorgängen und Geschehnissen und es ist Ursache für alle Transformationen. Agni ist überall in verschiedenen Formen anwesend und es hält alles in einem ständigen Wandel. Im menschlichen Körper ist Agni jeweils in unterschiedlicher Form und Intensität vorhanden. Das Agni in den Schleimhäuten gilt als verhältnismäßig intensiv, weshalb der Grad des Kochens der Öle für die innere Einnahme kürzer ist. Das Agni der äußeren Haut ist niedriger, weshalb das Öl für diesen Bereich einen längeren Garungsprozess benötigt und das für die Haare benötigt den maximalen Grad der Garung. Ebenso wie die Nahrungsmittel so weit gegart werden, dass sie von den Verdauungsorganen weiter verarbeitet werden können, so verdaut jede Oberfläche im Körper das Öl bis zu der Stufe, ab der die Essenz vom Körper akzeptiert und aufgenommen werden kann.
Wenn das Öl aus mangelnder Achtsamkeit über die Stufe der sandigen Konsistenz hinaus erhitzt wird, so verbrennt es und wird daher als „verdautes“ Öl bezeichnet. Dieses Öl besitzt keinerlei medizinischen Wert, sondern gilt vielmehr als toxisch und hat die Eigenschaft, alle Doshas aus dem Gleichgewicht zu bringen. Diese drei Garungsstufen leiten sich aus der Beobachtung und dem Wissen um die verschiedenen Wirkungsweisen von Agni ab. Die Stufe der Garung bis zur sandigen Konsistenz, entspricht derjenigen einer vollreifen Frucht, die ein intensives Aroma verströmt. Die Stufe des verbrannten oder „verdauten“ Öls entspricht im Vergleigleich dazu der überreifen und faulenden Frucht. Die gleiche Vorstellung lässt sich auch auf die Zubereitung und Garungsstufen von Nahrungsmitteln anwenden. Diese verschiedenen Konsistenzen, welche das Sediment annehmen kann, zeigen indirekt die unterschiedlichen Gleichgewichtszustände der dualen Kräfte. In dem schlammigen Stadium überwiegt die Kraft der Verbindung und Akkumulation über die des Zerfalls und der Vereinzelung. In den folgenden Stadien, nimmt diese Kraft mehr und mehr zu. Durch den Garungsprozess wird die Statik immer stärker und die Flexibilität geht verloren. Im sandigen Stadium ist keine Flexibilität mehr vorhanden und Öl wurde eine bestimmte Holzart verwendet. Manche Ärzte zögerten den Garungsprozess auf der letzten Stufe noch in die Länge, indem sie das Feuer löschten und das Öl auf der Glut noch weiter garen ließen, was den Vorgang um weitere 23 bis 24 Stunden verlängerte. Nach ayurvedischem Verständnis werden die Qualitäten der Milch, der Dekokte, der medizinierten Öle und Ghees, durch die verschiedenen Metalle, mit denen sie in Kontakt geraten, beeinflusst und verändert. Aus diesem Grund beschränkten sich einige Ärzte in früheren Zeiten darauf, weitgehend natürliche, nichtmetallische Materialien in der Ölherstellung zu verwenden. So diente beispielsweise ein Fasergewebe vom Blattansatz der Kokosnusspalme als Tuch für die Filterung des Öls im Anschluss an den Garungsvorgang.
Die Rezeptur, die Herstellung, das Anwendungsgebiet und die Anwendungsweise eines medizinierten ayurvedischen Öls, soll anhand des folgenden Beispiels, dem Dhanwantharam Thailam, beschrieben werden, welches eines der meistverwendeten medizinierten Öle darstellt. Der gesamte Prozess der Herstellung dieses Öls nimmt zwei volle Tage in Anspruch. Dabei sollte beachtet werden, dass insgesamt 1.872 Gramm getrocknete Kräuter, 8,6 Liter Milch und 40,321 Liter Wasser notwendig sind, um lediglich 768 Milliliter fertiges Öl zu erhalten! Der Kochvorgang muss also so lange fortgesetzt werden, bis insgesamt 48,921 Liter Flüssigkeit vollständig verdampft sind. Insgesamt werden 43 verschiedene Kräuterkomponenten für das Öl verwendet.
Dhanwantharam Thailam
Der Name, “Dhanwantharam”, bedeutet übersetzt “von Dhanwanthari”, da dieses Öl als von Dhanwanthari, dem Gott des Ayurveda selbst, gegeben gilt. Das Wort „Thailam“ bedeutet „Öl von Thilam (Sesam)“.
1. Öl : Sesamöl 768 ml
2. Flüssiger Teil 1.: Milch 8.6 l
3. Pulver – Teil: Sida rhombifolia (Bala) Pulver aus der Wurzel - 1.152 kg
Flüssiger Teil 2.: Dekokt - Zutaten:
4. 300 g Hordeum vulgare (Yava): Samen
5. 300 g Dolichos biflora
6. 300 g Dasamoola - “Die zehn Wurzeln”: grobes Pulver
Je 30 g von:
a. Premna integrifolia
b. Aegle marmelos
c. Sterospermum suaveolens
d. Oroxylum indicum
e. Gmelina arborea
f. Tribulus terrestris
g. Desmodium gangeticum: die ganze Pflanze
h. Uraria picta: die ganze Pflanze
i. Solanum indicum(Two varities)
Alle diese Zutaten werden mit 40,32 Litern Wasser vermischt und so lange gekocht, bis sich die Flüssigkeit auf 11,52 Liter reduziert hat.
Pasten-Teil - je 4 g von:
7. Fritillaria roylei (kakoli)
8. Polygonatum cirrhifolium (meda)
9. Polygonatum verticillatum (mahameda)
10. Malaxis acuminate (Jeevaka)
11. Malaxis muscifera (Rishabhaka)
12. Vigna na radiatpilosa (Mudga parni)
13. Vigna radiate (Masha parni)
14. Cedrus deodara - Zedernholz
15. Rubia cordifolia: die ganze Pflanze
16. Santalum album (nur bei äußere Anwendung)
17. Hemidesmus indicus (Sarasaparilla): die Wurzel
18. Saussuria lappa: die Wurzel
19. Steinsalz
20. Trigonella foenum graecum - Bockshornklee-Samen
21. Shilajith – eine Kombination aus verschiedenen Mineralien
22. Acorus calamus
23. Acquillaria agallocha - ein sehr hartes Holz, vergleichbar mit Rosenholz
24. Boerhavia diffusa
25. Withania somnifera (Aswagandha): die Knolle
26. Asparagus racemoses (Satavari): die Knolle
27. Ipoemoea digitata (Vidari): die Knolle
28. Glycyrrhiza glabra (Süholz): der Stängel
29. Mischung aus Terminalia chebula, Terminalia bellerica, Emblica officinale
(Triphala) – die “Drei Früchte”
30. Commiphora myrrha (Vara Rasam) - ein Harz
31. Anethum sowa (Sathahwa): die ganze Pflanze
32. Elettaria cardamomum
33. Cinnamomum camphora (Kampfer)
34. Cinnamomum tamala (Pathram)
Herstellung des Öls:
Das fertige Dekokt, die Milch, die Paste aus den Zutaten 6. – 33. und das Öl werden miteinander vermischt und in einem Bronze-Tiegel über einem niedrigem Feuer langsam erhitzt. Das Gemisch wird ununterbrochen mit einem Metallspatel gerührt. Es dauert 5 – 6 Stunden bis der Wasseranteil in dem Gemisch verdampft ist und lediglich das Öl und die festen Rückstände übrigbleiben. Während der Wasseranteil sich kontinuierlich verringert, beginnen die festen Bestandteile am Spatel haften zu bleiben. Der Grad des Kochens hängt, wie schon zuvor erwähnt, von dem Verwendungszweck des Öls ab. Am Ende wird der Tiegel vom Feuer genommen und auf Außentemperatur abkühlen gelassen. Danach wird das Öl gefiltert und luftdicht abgefüllt.
Indikationen:
Bei allen Vatha-bedingten Krankheiten geeignet,
für Frauen nach der Entbindung,
zur Unterstützung der Entwicklung von Kindern,
für Menschen mit Verletzungen der Marma-Punkte und der Knochen,
für Menschen, die durch Krankheit ausgezehrt sind und in der Rekonvaleszenz.,
für alte Menschen und solche, die an altersbedingten Krankheiten leiden, wegen der hohen verjüngenden Eigenschaften des Öls,
bei bestimmten Arten von Fieber,
bei Obstruktionen,
psychischen Problemen,
Schizophrenie,
Obstruktionen des Urinflusses,
Hernien,
bei manchen vaginalen Erkrankungen,
hat weiterhin eine besondere Wirkung bei gynäkologischen Problemen und ist allgemein für Frauen geeignet.
Anwendungsarten:
Dhanwantharam-Thailam wird sowohl äußerlich, als auch innerlich angewendet,
wie z. B. als:
Pichu,
Shirovasti,
Shirodhara,
Abhyanga,
Thalam,
Nasyam (mit Dhanwantharam 101),
Pichu auf der Brust bei Palpitation und Herzkrankheiten,
als Kateevasti für den Rücken,
Urovasti im Bereich des Herzens,
als Vasti (Einlauf),
Pizzichil,
Njavarakizzi,
Elakizhi,
vaginales Pichu,
Uthara Vasti,
Snehapanam u.s.w..
Konzentriertes Herstellungsverfahren:
Manche der medizinierten Öle gibt es in wiederholter Zubereitungsform: 7 mal, 14 mal, 21 mal, 41 mal und 101 mal. Diese höheren Potenzierungen werden bei spezifischen Konditionen in kleinen Mengen verwendet. Öle, mit 7 bis 41 Herstellungsdurchgängen werden normalerweise innerlich angewendet. Es wird empfohlen, hiervon einige Tropfen oder einen halben oder ganzen Teelöffel voll zusammen mit anderen flüssigen Medikamenten oder gefolgt von diesen, einzunehmen. Diese Öle werden meist bei Vatha-Störungen verschrieben und auch in Form von Nasyam, Thalam, Utharavasthi und Pichu angewendet. Die Potenz 101 des Öls wird normalerweise für Nasyam angewendet, selten auch für Pichu und Thalam Hergestellt wird solch ein potenziertes Öl, indem der gesamte Prozess immer wieder mit frischen Zutaten wiederholt wird und anstelle von frischem Öl immer das schon zuvor fertig zubereitete Öl verwendet wird. Die Herstellung eines Öls der 101er Potenz dauert normalerweise 4 bis 6 Monate. Angesichts dieses hohen Aufwandes mag diese Art der Herstellung heute wie eine herkulanische Aufgabe anmuten! Eine 101er Zubereitung des Ksheerabala-Öls vermag beispielsweise einen schlaflosen Patienten mit Bluthochdruck zu beruhigen und zum Schlafen bringen. Ein Pichu mit Dhanwantharam Thailam der Potenz 7, 14 oder 21 auf der Brust angewendet, lässt den rasenden Herzschlag innerhalb von 10 bis 20 Minuten auf ein normales Maß herabkommen. Hergestellt wird solch ein potenziertes Öl, indem der gesamte Prozess immer wieder mit frischen Zutaten wiederholt wird und anstelle von frischem Öl immer das schon zuvor fertig zubereitete Öl verwendet wird. Die Herstellung eines Öls der 101er Potenz dauert normalerweise 4 bis 6 Monate. Angesichts dieses hohen Aufwandes mag diese Art der Herstellung heute wie eine herkulanische Aufgabe anmuten! Eine 101er Zubereitung des Ksheerabala-Öls vermag beispielsweise einen schlaflosen Patienten mit Bluthochdruck zu beruhigen und zum Schlafen bringen. Ein Pichu mit Dhanwantharam Thailam der Potenz 7, 14 oder 21 auf der Brust angewendet, lässt den rasenden Herzschlag innerhalb von 10 bis 20 Minuten auf ein normales Maß herabkommen.
©Sajan Kumar Somarajan 2011